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  Sichtweisen 1953
  1953 erhielt die Stadt 
  Duderstadt ein Denkmal, 
  welches auch an die 
  Duderstädter Einwohner 
  unter den Opfern des 
  Völkermords an den 
  europäischen Juden 
  erinnerte. Das war für 
  diese Zeit völlig 
  ungewöhnlich. Wenn zu 
  Beginn der 1950er Jahre 
  in Deutschland Denkmäler 
  zur Erinnerung an die 
  Toten der NS-Zeit errichtet 
  wurden, dann für die im Zweiten Weltkrieg gefallenen deutschen 
  Soldaten, aber nicht für die jüdischen Opfer.
  Dieses Abweichen vom Normalfall hat einen materiellen Grund. Die 
  Stadt und der Landkreis Duderstadt benötigten für einen wichtigen 
  Grundstückstausch das frühere Synagogengrundstück. Der Handel mit 
  der Jewish Trust Corporation wurde durch die jüdische Gemeinde in 
  Göttingen vermittelt. Bedingung für das Zustandekommen des 
  Geschäfts war die Zusage der Stadt, den in der NS-Zeit zerstörten 
  Friedhof wieder in Ordnung zu bringen.
  Die Verwüstung war jedoch so gründlich vorgenommen worden, dass 
  ein Friedhof mit Grabstellen nicht wieder hergerichtet werden konnte. 
  Deshalb blieb nur die Möglichkeit, das Grundstück als allgemeine Stätte 
  der Erinnerung an die hier bestatteten Toten und an die Opfer der Shoa 
  zu gestalten. Gern hätte die Stadt die dafür erforderlichen Arbeiten in 
  eigener Regie durch ihren Bauhof durchführen lassen, um Kosten zu 
  sparen. Aber darauf ließ sich die Göttinger jüdische Gemeinde nicht ein, 
  sondern setzte durch, dass einer hannoverschen Firma der Auftrag 
  dazu erteilt wurde. Die Arbeiten umfassten Nachforschungen zur 
  Feststellung der Beigesetzten, das Herrichten des Geländes, das 
  Aufstellen eines Denkmals, die Reparatur von Zaun und Eingangstor 
  sowie Pflanzarbeiten. 7550 DM bewilligte der Stadtrat für das 
  Haushaltsjahr 1953, dem Kostenvoranschlag entsprechend. Dieser 
  Kostenvoranschlag wurde dann jedoch um rund 1600 DM überschritten.
  Der größte Teil dieser Mehrkosten war darauf zurückzuführen, dass die 
  Stadt offenbar falsche Auskünfte über die Anzahl der in die Stelen 
  einzugravierenden Namen erteilt hatte. Das hatte zu einem Ansatz im 
  Kostenvoranschlag geführt, die erheblich zu niedrig war. Jeder 
  Buchstabe mehr kostete Geld. Dennoch lehnte der Stadtrat ab, die 
  zusätzlich benötigten Zahlungen zu übernehmen. Schon dies ist schwer 
  zu verstehen, zumal der jüdische Friedhof zu einer Zeit zerstört worden 
  war, zu der die Stadt Duderstadt ihn zu verwalten hatte. Geradezu 
  beschämend ist aber die Art, wie diese Weigerung begründet wurde. 
  Wir zitieren aus dem Protokoll der Ratssitzung am 17. 9. 1953:
  „Die jüdische Gemeinde hat ihre Nachforderung damit begründet, dass 
  die Zahl der auf dem Friedhof beerdigten Toten erheblich größer wäre 
  als zuerst angenommen wurde. Der Rat steht auf dem Standpunkt, dass 
  die hierbei sich ergebenden Mehrausgaben nur geringfügig sein 
  können. Im Übrigen seien in die Tafel Namen aus mehreren 
  Jahrhunderten und von Personen aufgenommen, die zum großen Teil 
  nicht in Duderstadt wohnhaft waren. Weiterhin wurde in der Debatte 
  festgestellt, dass der Zustand des ‚Jüdischen Friedhofs’ zu keiner Zeit 
  früher so gut war, wie heute.“ 
  (StadtA Dud.: Dud. 3/60 Nr. 6.)
  Alle diese Gegenargumente waren falsch und zeugen davon, dass man 
  es nicht für nötig befunden hatte, sich gründlich zu informieren. Es 
  waren keine Namen unberechtigt aufgenommen worden. Die 
  Feststellung, dass der Zustand des jüdischen Friedhofs zu keiner Zeit 
  so gut gewesen sei wie heute, war reiner Zynismus angesichts der 
  Tatsache, dass er ohne Grabsteine und Friedhofsplan nicht als Friedhof 
  hatte wieder hergestellt werden können, sondern nur als Gedenkstätte. 
  Die SPD-Fraktion gab nach der Abstimmung im Stadtrat noch die 
  folgende Erklärung ab:
  „Es entspricht nicht den kaufmännischen Gepflogenheiten, gegebene 
  Zusicherungen nachträglich wieder umzustoßen und plötzlich weitere 
  erhebliche Kosten nachzufordern. Diese Gründe sind für die Ablehnung 
  des Antrages bzw. für die Stimmenthaltung maßgebend.“ 
  (StadtA Dud.: Dud. 3/60 Nr. 6.)
  Es wurde also nicht in Betracht gezogen, dass nach den 
  nationalsozialistischen Verbrechen an den Juden die Neugestaltung des 
  früheren jüdischen Friedhofs keine Angelegenheit war, der man mit 
  kleinkarierten fiskalischen Überlegungen gerecht werden konnte. Statt 
  dessen wird wahrnehmbar, wie der Stadtrat die Herrichtung der 
  Gedenkstätte nicht als sein eigenes, ihm selbst bedeutsames Anliegen 
  verstand. Das Engagement begrenzte sich auf vertragliche 
  Pflichterfüllung im Rahmen des Grundstücksgeschäfts. Ein Gefühl der 
  Verbundenheit mit den früheren jüdischen Einwohnern der Stadt 
  Duderstadt, welches nach gütlicher Einigung hätte streben lassen, kam 
  nicht zum Ausdruck. Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde 
  Göttingen war tief verbittert. Er schrieb an den Stadtrat in Duderstadt:
  „Schriftlich und mündlich wurde mir zugesagt, seitens ihres Herrn 
  Bürgermeisters, dass die Angelegenheit in Ordnung gebracht würde. 
  Noch am Tage der Einweihung wurde mir dieses versichert. … Hätten 
  wir Ihre Einstellung gekannt, niemals wäre unsere Zustimmung zum 
  Verkauf an Sie des Synagogengrundstückes, der Jewish Trust 
  Corporation gegeben worden.“ 
  (StadtA Dud.: Dud. 3/60 Nr. 6.)
  (Götz Hütt)
 
  
  
 
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
  
 
  