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  Bürgermeister Andreas Dornieden hatte zwei sehr 
  unterschiedliche Gesichter. Zum einen das desjenigen, der als 
  NSDAP-Kreisleiter von 1933-1937 und  als NS-Bürgermeister 
  von 1933-1945 in Duderstadt dem verbrecherischen „Dritten 
  Reich“ diente und dabei seine nationalsozialistische 
  Grundüberzeugung mit dem christlichem Glauben vereinbaren 
  konnte. Ansehen errang er sich auch dadurch, dass er sich für 
  die Verbesserung der Infrastruktur von Duderstadt einsetzte 
  und für viele Anliegen der Einwohner nach Kräften eintrat – 
  allerdings begrenzt auf die „Volksgenossen“. Die Maske, die er 
  sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges aufsetzte, war 
  dann das Gesicht eines Mannes, der nicht nur seine ganze 
  Arbeitskraft dem Wohl der Stadt und ihren Bewohnern 
  gewidmet, sondern dabei auch frühzeitig begonnen hatte, sich 
  vom Nationalsozialismus abzuwenden und innerlich zu seinem  
  Gegner zu wandeln. Die Täuschung gelang und führte dazu, 
  dass Dornieden, der prominenteste Nationalsozialist des 
  Untereichsfeldes, im  Entnazifizierungsverfahren mit 
  Unterstützung durch viele Duderstädter als Entlasteter 
  eingestuft wurde.
 
 
  
 
  Andreas Dornieden war von 1933 bis 1945 Bürgermeister der Stadt 
  Duderstadt. Das Amt des Kreisparteileiters der NSDAP im Landkreis 
  Duderstadt übte er von 1933-1937 und dann wieder während des 
  Zweiten Weltkrieges von 1939-1941 in Vertretung seines zur 
  Wehrmacht eingezogenen Nachfolgers aus. 1936 wurde er zum 
  Mitglied des Reichstags ernannt. Kurz, er war der prominenteste 
  Nationalsozialist im Untereichsfeld und auch nach 1945 von der 
  Richtigkeit seines Handelns überzeugt, weil, wie er sich 1948 im 
  Entnazifizierungsverfahren zuschrieb, „meine Tätigkeit als 
  Bürgermeister u. nebenamtlicher Kreisleiter weitgehend von der Sorge 
  um das Wohlergehen der Bevölkerung bestimmt wurde und mein 
  Verbleiben in den Ämtern im ureigensten Interesse der Allgemeinheit 
  lag, da ich nicht nur keinen Missbrauch getrieben, sondern auch den 
  beabsichtigten Missbrauch anderer unter vollem Einsatz meiner 
  Person nach Kräften verhindert habe“. [1]  
   Das sahen andere in Duderstadt ähnlich. Der Duderstädter Propst 
  Ernst  bescheinigte ihm 1945: „Ich habe Herrn Dornieden in der Zeit 
  vom März 1943 bis April 1945 in Duderstadt kennengelernt. In dieser 
  Zeit hat Herr Dornieden regelmäßig und öffentlich am Gottesdienst und 
  Sakramentenempfang teilgenommen. Dem kirchlichen Leben in der 
  Stadt hat er keinerlei Schwierigkeiten bereitet und stand den 
  kirchlichen Einrichtungen als Bürgermeister wohlwollend gegenüber.“ 
  [2] Adolf Bolte, Weihbischof von Fulda, erklärte 1947, Propst 
  Algermissen, der Vorgänger von Propst Ernst, habe ihm gesagt, 
  Dornieden sei „ein treuer, aufrechter Katholik, er setzt sich für die 
  Erziehung der Jugend im christlichen Sinne ein, er hilft, dass 
  katholische Einrichtungen erhalten bleiben. Ich habe ihn direkt 
  gebeten, sein Amt nicht niederzulegen, sondern im Interesse der 
  Kirche weiterzuführen.“ [3]
  .  Zahlreiche Einwohner von Duderstadt stellten Dornieden weitere so 
  genannte „Persilscheine“ aus – eidesstattliche Erklärungen, die ihn von 
  seinem verantwortlichen Mittun im NS-Staat entlasteten.
  Solche entlastenden Bestätigungen der eigenen Aussagen 
  einzuholen war nach 1945  gängige Praxis der Beschuldigten und vor 
  der Spruchkammer Angeklagten. Christina Ullrich hat diese 
  Vorgehensweise beschrieben: „Die eidesstattlichen Erklärungen hatten 
  aus Sicht der Betroffenen den Zweck, die eigene Argumentation und 
  Darstellung zu belegen und die Sicht der Spruchkammern zu 
  widerlegen. Die Leumünder wurden gezielt ausgesucht, um den 
  Bestätigungen möglichst viel Gewicht und Glaubwürdigkeit zu 
  verleihen. Auch die Inhalte waren nicht willkürlich, sondern wurden 
  genau von den Betroffenen vorgegeben, indem sie darum baten, dass 
  man ihnen bestimmte Dinge bestätigen möge.“[4]  
  Nun hatte Bürgermeister Dornieden sich aber in der Amtszeit der 
  beiden Pröpste nicht nur als praktizierender und treuer Katholik 
  gezeigt, sondern war entgegen der eigenen Darstellung und öffentlich 
  erkennbar, auch als aktiven Parteigänger der NSDAP für vieles 
  unrechtmäßige Handeln während der NS-Zeit in Duderstadt 
  mitverantwortlich geworden.
  Andreas Dornieden war 1933 ein Totengräber der Demokratie im 
  Untereichsfeld. Als Kreisparteileiter der NSDAP setzte er die 
  rechtswidrige Amtsenthebung zahlreicher Bürgermeister durch und 
  verhinderte den Amtsantritt mehrerer im März noch demokratisch 
  gewählter Gemeindevorsteher. Er war Antisemit und beteiligt an der 
  Unterdrückung und Verfolgung der Juden in Duderstadt. Er war 
  Rassist und wirkte mit am Verbrechen der NS-Zwangsarbeit. Er 
  wandelte sich keineswegs, wie er nach 1945 behauptete, in den 
  Anfangsjahren des „Dritten Reiches“ zum Gegner der Nazi-Ideologie. 
  So sagte er zum Beispiel am  8.10.1940 in einer Rede: „Die Lehren 
  und Grundsätze der nationalsozialistischen Weltanschauung müssen 
  in der Bevölkerung immer tiefer verankert werden, damit alle auch die 
  Ereignisse unserer Tage unter nationalsozialistischem Blickwinkel 
  sehen und die zuversichtliche Stimmung und das Vertrauen zum 
  Führer weiter wachsen.“[5] Im Krieg rief er dazu auf, Opfer „bis zum 
  Letzten“ [6]  zu erbringen.
  Im Entnazifizierungsverfahren 1948 gelang es Andreas Dornieden 
  mit Hilfe seiner Duderstädter Zeugen, den Entnazifizierungs-
  Hauptausschuss von seiner Gegnerschaft gegenüber dem 
  Nationalsozialismus zu überzeugen. So kam es zu dem absurden 
  Ergebnis, dass Andreas Dornieden, welcher an führender Stelle im 
  Untereichsfeld einem von Grund auf verbrecherischen System bis 
  1945 gedient hatte, als Entlasteter eingestuft wurde.
  Andreas Dornieden starb am 4. März 1976 in Herne. Nun 
  vollendete die Stadt Duderstadt seine Entnazifizierung. Sie 
  veröffentlichte einen Nachruf, in dem sie ihm „herzlich Dank“ sagten 
  und ein „ehrendes Gedenken“ zusicherten [7]. Die Dimension seines 
  Wirkens als Nationalsozialist erwähnte sie nicht. Aber das 
  Versprechen des wertschätzenden Gedenkens wurde eingehalten. Ein 
  Bild Dorniedens hängt heute in einer Fotogalerie der früheren 
  Bürgermeister im Stadthaus, ohne Unterscheidung – als sei er auch 
  gegenwärtig für Duderstadt gleichermaßen ehrenwert wie die 
  Bürgermeister der anderen Jahre.
  [1] HStA Hannover: Hann 171 Hild. Nr. 21490.
       [2] Kreisarchiv Göttingen: LK DUD Nr. 20.
       [3] HStA Hannover: Hann 171 Hild. Nr. 21490.
       [4] Ullrich, Christina (2011): S. 71 f. 
       [5] „Die Winterarbeit der Partei beginnt“, Südhannoversche Zeitung 
       am 8.10.1940.
  [6] “Wir werden opfern bis zum Letzten! - Dann wird der Sieg unser 
            sein!”, Südhannoversche Volkszeitung am 16.10.1939.
  [7] Anzeige im SPOT, 26.3.1976.
   
  [Als weiterführende Literatur erscheint demnächst in der Schriftenreihe 
  der Geschichtswerkstatt Duderstadt: Götz Hütt, Duderstadt nach dem 
  Nationalsozialismus. Zur Geschichte und Nachgeschichte der NS-Zeit 
  im Untereichsfeld.]
 
 
  