Stadtrat und Geschichte
Gedenkfeier am 27. Januar ist unvereinbar mit Verharmlosung
von Konzentrationslagern durch hohen Repräsentanten der Stadt
Duderstadt
Die Geschichtswerkstatt Duderstadt kritisiert die Durchführung der
Gedenkfeier der Stadt für die Opfer des Nationalsozialismus am 27.
Januar 2012 scharf: Die Stadt Duderstadt hat die das Leiden in den
nationalsozialistischen Konzentrationslagern in krasser Weise
verharmlosenden Äußerungen des hohen Repräsentanten der Stadt
Lothar Koch geduldet und keinerlei Distanzierung erkennen lassen.
Koch, u.a. Ratsmitglied, Ehrenbürgermeister der Stadt Duderstadt,
stellvertretender Landrat des Landkreises Göttingen, niedersächsischer
Landtagsabgeordneter und stellvertretender Vorsitzender des
Kultusausschusses, hatte in einer Ratssitzung am 12. Dezember 2011
auf Kritik an seinen fortgesetzten Zwischenrufen mit dem Ausruf
reagiert: "Ich bin doch hier nicht im KZ!" und in einer kurzen Erklärung
erläutert: "KZ steht für mich für nicht vorhandene Gedanken- und
Redefreiheit."
Ein Leserbrief des Vorsitzenden der Geschichtswerkstatt Duderstadt,
Götz Hütt, an das Eichsfelder Tageblatt wurde von diesem nicht
abgedruckt. Hier der Wortlaut:
Verharmlosung der Konzentrationslager
Das kann nur den braunen Bodensatz in unserer Gesellschaft stärken:
"Ich bin doch hier nicht im KZ", bemerkte Lothar Koch im Duderstädter
Stadtrat, als ein Redner der Opposition sich gegen störende
Zwischenrufe des stellvertretenden Ratsvorsitzenden und
Landtagsabgeordneten zur Wehr setzte. Koch sagte weiter: "KZ steht für
mich für nicht vorhandene Gedanken- und Redefreiheit." Für die
Häftlinge dagegen bedeuteten die Konzentrationslager noch ganz
anderes: Entwürdigung, Hunger, körperliche Gewalt, Massenmord. Die
Äußerungen von Lothar Koch verharmlosen also das KZ-System auf
unerträgliche Weise. Der CDU-Politiker kann sich deshalb nicht einfach
mit der Floskel "völlig unangemessen" aus der Affäre ziehen wollen,
sondern muss seine Äußerungen inhaltlich begründet zurücknehmen,
will er sein durch ihn selbst beschädigtes Ansehen als Volksvertreter im
demokratischen Rechtsstaat wiederherstellen.
Eine Pressemitteilung der Geschichtswerkstatt wurde ebenfalls der
Öffentlichkeit vorenthalten. Ihr Inhalt:
Mit Empörung wurde in der Jahreshaupt-versammlung der
Geschichtswerkstatt Duderstadt aufgenommen, dass der stell-
vertretende Bürgermeister Koch (MdL) in der letzten Stadtratssitzung
Konzentrationslager verharmloste und der Ratsvorsitzende Vollmer
dagegen nicht einschritt. Dieser Vorgang muss nach Ansicht der
Geschichtswerkstatt unverzüglich bereinigt werden, zumal er die
Glaubwürdigkeit der Gedenkfeier der Stadt am 27.1.2012 für die Opfer
der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Frage stellt.
Die Mitglieder des Vereins Geschichtswerkstatt beanstandeten, dass
Lothar Koch in der Ratssitzung zahlreiche eigene Zwischenrufe mit den
Bemerkungen „Ich bin doch hier nicht im KZ" und „KZ steht für mich für
nicht vorhandene Gedanken- und Redefreiheit" verteidigt hatte. Solche
Äußerungen bedeuteten eine gestörte Geschichtswahrnehmung.
Schließlich hätten die Häftlinge der Konzentrationslager Freiheits-
beraubung, Entwürdigung, Hunger, körperliche Gewalt und Tod erleiden
müssen. Kritisiert wurde auch der Ratsvorsitzende Vollmer, weil er die
Äußerungen von Koch nicht gerügt hatte. Beide Repräsentanten der
Stadt wird die Geschichtswerkstatt brieflich dazu auffordern, ihr
Verhalten unverzüglich zu revidieren. Solange im Stadtrat
Konzentrationslager verharmlost würden, könne die Stadt am 27.1.2012
der Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nicht glaubwürdig
gedenken. Beides passe nicht zusammen.
Die beiden floskelhaften Worte „völlig unangemessen" des
stellvertretenden Bürgermeisters Koch am nächsten Tag gegenüber der
Presse, so die Versammlung, reichten nicht, um die Affäre zu
bereinigen. Vielmehr müsse Koch, nachdem er den demokratischen
Konsens in Frage gestellt habe, sein Missverständnis von
Konzentrationslagern inhaltlich und öffentlich bereinigen. Der
Ratsvorsitzende Vollmer wird sein Verhalten erklären und darlegen
müssen, wie er künftig eventuelle Verharmlosungen des
Nationalsozialismus im Stadtrat unterbinden werde. Die
Geschichtswerkstatt wird beide Politiker deswegen anschreiben.
Um den Standpunkt der Geschichtswerkstatt Duderstadt an die
interessierte Öffentlichkeit zu bringen, wollten die Mitglieder als letztes
Mittel in die Ausgabe des Eichsfelder Tageblatts vom 27.1.2012 eine
Anzeige mit folgendem Text setzen:
Die Verharmlosung von Konzentrationslagern im Stadtrat durch Lothar
Koch, gebilligt durch das Schweigen einer großen Mehrheit, ist
unvereinbar mit der heutigen Gedenkfeier der Stadt für die Opfer des
Nationalsozialismus und muss inhaltlich zurückgenommen werden.
Geschichtswerkstatt Duderstadt
Das Eichsfelder Tageblatt verweigerte jedoch die Annahme dieser
Anzeige mit der Begründung, das Tageblatt sei überparteilich, die
Anzeige aber "meinungsbildend". Die Frage, warum das Tageblatt
meinungsbildende Anzeigen politischer Parteien durchaus
veröffentliche, die unseres Vereins aber nicht, wurde mit Schweigen
beantwortet.
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